Diese Erfahrung haben sicher alle naturinteressierten und fotografierenden Personen schon gemacht: zuhause am Computer entdeckt man in der Vergrösserung Details, die einem im Feld nicht aufgefallen sind. Ich machte kürzlich solch eine spannende Entdeckung. Ich bin immer auf der Suche nach der Schönheit in eher unauffälligen, kleinen Dingen. Z. B. faszinieren mich verblühte Pflanzen und Fruchtstände. So fotografierte ich verblühte Geranium sanguineum. Beim genauen Betrachten dieser Schönheit fiel mir auf, dass nicht alle Kelchblätter gleich stark behaart sind. Bei nur einer Pflanze kann das ja Zufall sein, oder bereits verlorene Haare. Da aber G. sanguineum in meinem Garten wächst, konnte ich die Erscheinung bei mehreren Blüten von verschiedenen Pflanzen kontrollieren. Immer dasselbe Bild: 2 Blätter ganz kahl, 2 Blätter stark und lang behaart, 1 Blatt halbe/halbe.
Ist das Phänomen bekannt und kommt es auch bei anderen Geranium-Arten vor?
8 Antworten
Ich kann dazu leider überhaupt nichts beitragen, bin aber sehr beeindruckt vom deiner Beobachtungsgabe!
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Antwortenohh you made my day, liebe Maria, supertolle Beobachtung :-))
Ich habe eine mögliche Erklärung für die unterschiedlich behaarten Kelchblätter des Blutroten Storchschnabels (Geranium sanguineum), da die Kelchblätter bei den meisten Wildrosen-Arten gleich "frisiert" sind:
Achtung, pingelig: Die Kelchblätter sind genau genommen schraubig angeordnet (d.h. wie eine Wendeltreppe rund um den Blütenstiel herum) und zeigen mit den Wimpern (bei den Wildrosen mit Fiederzipfeln) die fortschreitende Vereinfachung von den untersten Kelchblättern zu den Kronblättern auf.
Die untersten Kelchblätter (1 und 2) haben noch etwas "Flair" von den obersten Laubblättern mitbekommen und auf beiden Seiten Haare, das 3. Kelchblatt steht mittendrin und ist nur noch auf einer Seite behaart, die obersten Kelchblätter (4 und 5) fühlen sich schon etwas wie Kronblätter und haben keine Haare oder Fransen mehr.
Ich habe die Nummern und die "Zählrichtung" auf deinem Foto eingetragen.
Es gibt zu diesen kurligen Kelchblättern der Wildrosen sogar ein Gedicht,
"Fünf Brüder sind’s zur gleichen Zeit geboren,
Doch zweien nur erwuchs ein voller Bart,
Zwei andern blieb die Wange unbehaart,
Dem dritten ist der Bart zur Hälft’ geschoren."
Weitere Infos z.B. hier: https://de.wikisource.org/wiki/Das_Geheimni%C3%9F_der_Rose
Liebe Grüsse, Muriel
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AntwortenLiebe Muriel
Freude über Freude! Zuerst habe ich mich ganz allein für mich gefreut über meine Entdeckung. Nun habe ich Freude, dass ich damit anderen eine Freude machen kann.
Mit deiner Antwort gibts noch mehr Freude:
Freude an der sehr gut verständlich formulierten Erklärung mit Skizze
Freude an dem reizenden Gedicht
Freude an dem superspannenden Bericht über die Kelchblätter der Rosen
Freude, dass ich dank openflora Zugang zu so viel Wissen bekomme.
Vielen, vielen Dank! Maria
Da ich das Ganze so spannend finde, habe ich meine “Kelchblätter-Studie” auf weitere Geranium-Arten ausgeweitet: Geranium dissectum, Geranium nodosum, Geranium pyrenaicum, Geranium robertianum und Geranium molle. Leider haben diese Arten kleine bis sehr kleine Kelchblätter. So war das “Präparieren” für die Fotos knifflig und meine Kamera kam ziemlich an die Grenze. Aus diesen Gründen ist die Aussagekraft eingeschränkt. Trotzdem wage ich die Aussage: bei allen untersuchten Arten entdeckte ich bei der Behaarung der Kelchblätter keine oder nur sehr geringe Unterschiede, die auch auf Zufall oder die Manipulation zurückzuführen sein könnten. In keinem Fall sah ich so markante, auffällige Unterschiede in der Behaarung der Kelchblätter einer Blüte wie bei Geranium sanguineum.
Liebe Maria
Ich habe mir dieses Phänomen folgendermassen erklärt: Haare dienen für die Pflanze als Verdunstungs-, Frass- und Sonnenschutz (Lichtreflektor). In der Knospenlage werden die zwei inneren Kelchblätter (4+5) von den drei äusseren (1-3) +/- überdeckt. Die äusseren Kelchblätter übernehmen zu dieser Zeit den Schutz, weshalb die Bildung von Haare bei den inneren ausbleiben bzw. nur an diesen Stellen entstehen, die von den äusseren Kelchblättern nicht verdeckt (geschützt) werden.
Ein weiteres Beispiel zum Thema Sonnenschutz ist die Pulsatilla alpina. Sie bildet als Sonnenschutz ein violettes bis blaues Aussenperigon. Bei den drei inneren Zipfeln ist jeweils noch schön zu sehen, welche Zipfelteile exponiert waren und welche von den drei äusseren Perigonzipfeln bedeckt wurden.
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AntwortenLiebe Nadline
Vielen Dank, dass du dir die Mühe nimmst und mir eine Erklärung anbietest. Hast du die Antwort von Muriel gelesen? Sie hat mich eigentlich überzeugt . Jetzt bin ich verunsichert und weiss ich nicht mehr, was ich von deiner Erklärung halten soll. Ihr stimmt da nicht wirklich überein … Gibts wohl noch eine Klärung? Besten Dank und liebe Grüsse Maria
Liebe Maria
Ich habe Muriels Antwort nicht nur gelesen – verschlungen trifft eher zu! Ich mag sehr solche Detailfragen und suche gerne Antworten darauf. Meine Antwort ist ebenfalls (wie Muriel es formulierte) “eine mögliche Erklärung” und bin offen für (kritische) Anregungen/Bemerkungen/Überprüfung auf Plausibilität. Es war nicht meine Absicht, dich zu verunsichern bzw. Muriels Antwort zu untergraben.
Und Muriel ist eine super Botanikerin mit so viel Fachwissen und Erfahrung. Vielleicht hilft dir das, deine Verunsicherung zu lindern :-)
Als Ergänzung die abgezupften und sortierten Kelchblätter einer Hunds-Rose (Rosa canina).
Lieber Gruss in die Runde :-)
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