Im Mendrisiotto wimmelt es z.Z. von Hirtentäschchen. Viele lassen sich eindeutig C. bursa-pastoris zuschreiben. Einige kleinere scheinen mir aber näher bei C. rubella (Vgl. Fotos). (FlorID war hier tendenziell auch dieser Ansicht, aber nicht klar.) Weiss jemand, wie man die beiden Arten einigermassen sicher unterscheiden kann?
9 Réponses
Kapselform sowie der rötlich überlaufene Blütenstand deuten auf rubella, jedoch erscheint die Krone dafür etwas zu lang?!
Danke Jonas.
Das heisst also, ein Killermerkmal gibt es nicht, aber das ganze Bouquet sollte stimmen: eher etwas kleiner, eher kleine Kronblätter kaum länger als Kelch, eher rötlich, eher konkave Früchte?
Hallo Marc
Ich weiss es leider auch nicht wirklich, aber ich mache jeweils nur eine Capsella rubella-Fundmeldung, wenn alle 3 Merkmale passen! Bei deinem Fund tendiere ich schon auch zu rubella… aber ganz sicher bin ich mir nicht..
Lieber Marc
Deine Aufnahmen sind - mit Verlaub - einfach zu undeutlich, als dass man endgültige Schlüsse daraus ziehen könnte. Wer Deutlicheres und Genaueres (und vor allen Dingen tolle Fotos) sucht, der findet (wie oft bei solchen Fragen) bei Wolfgang Bomble reichlich Nahrung:
Capsella, Hirtentäschel (Brassicaceae), ein weiterer Schritt zur Unterscheidung enger umgrenzter Arten in Nordrhein-Westfalen
Aber Achtung: er ist kein Freund von Sammelarten. Ich zitiere aus der Einleitung (S. 78):
“In deutschen Floren war bis vor kurzem weitgehend nur von einer heimischen Capsella-Art die Rede, C. bursa-pastoris (Gewöhnliches Hirtentäschel). Daneben galt das Rötliche Hirtentäschel (C. rubella) als seltene, unbeständige Einschleppung aus dem Mittelmeerraum. Dieses Bild sieht der Verfasser heutzutage als nicht mehr zutreffend an. Einerseits liegt das daran, dass C. rubella inzwischen im westlichen Deutschland weiträumig vollkommen etabliert ist, aber aktuell noch vielfach übersehen und verkannt wird. Andererseits sind die beiden Capsella-„Arten“ weitgehend autogam, wodurch sich, wie in ähnlichen Fällen, eine große Formenvielfalt herausbildet und stabilisiert. Gerade Letzteres führt dazu, dass man solche autogamen Formenkreise wie entsprechende Artengruppen mit klonaler Fortpflanzung (Apomikten) behandeln und die stabilen Sippen als eigenständige Arten auffassen sollte.”
Du fragst nach einem Killerkriterium. Am Ende dieser Arbeit findet sich ein erstaunlich einfacher Schlüssel. Danach empfiehlt es sich, zuallererst die genaue Form der Früchte zu beobachten bzw. Nah-Aufnahmen davon zu machen. Sind die Längsseiten der Früchte konkav, sind wir schon mal bei C. rubella s.l. Sind sie gerade oder konvex, landen wir bei C. bursa-pastoris sensu latissimo (!) Ist doch schon mal ein guter Anfang, oder? Wie weit man dann gehen will, bleibt jedem selbst überlassen.
Einen guten Overview bringt diese Zeichnung aus der erwähnten Arbeit von Bomble (S. 80), wobei gilt:
Die bisher am häufigsten beobachtete Sippe von Capsella rubella s. l. wird als eigene Art C. ascendens neu beschrieben.
Aus Capsella bursa-pastoris s. latissimo wird eine eng umgrenzte Art C. praecox differenziert, die sich morphologisch, phänologisch und ökologisch klar von den anderen Sippen unterscheidet.
Das Ganze veranschaulicht gut, wie formenreich nur schon die Früchte bei Capsella sind (ganz zu schweigen von den Blättern, den Blüten, dem Habitus, der Phänologie und der Pollengrösse).
Eigentlich sieht man doch bereits alle relevanten Merkmale auf den Fotos von Marc?!
-Fruchtränder konkav —> rubella
-Blütenstand rötlich —> rubella
-Krone deutlich länger als Kelch —> eher bursa-pastoris
Aber natürlich sind Detailfotos immer sehr willkommen :-) Uii wenn ich aber den Namen Bomble lese, graut es mir schon ;-) Er scheint ein ziemlich eigenartiges Artenverständnis zu haben für meinen Geschmack…
Die Flora Gallica schreibt dazu mehr oder weniger sinngemäss, dass rubella einfach eine von mehreren diploiden Sippen im Aggregat sei, rubella könne man jedoch einigermassen von der tetraploiden bursa-pastoris abgrenzen, was sich von anderen diploiden Linien anscheinend nicht behaupten lässt! Es wird deshalb zur Diskussion gestellt, C. rubella einfach in die Variabilität von bursa-pastoris zu stellen…
Also ich sage ja nicht, dass man Bomble unbedingt folgen muss (seine ascendens ist dann zu rubella zu ziehen, die praecox zu bursa-pastoris), aber ich denke schon, dass C. rubella als eigenständige Art anerkannt werden kann mit eigenem Verbreitungsgebiet. Wenn ich das indes begründen müsste, so packt mich schon fast eine Art existentielles Gruseln, wenn ich als Nicht-Genetiker eine Arbeit wie diejenige unten zu lesen anfange:
Recent speciation of Capsella rubella from Capsella
grandiflora, associated with loss of
self-incompatibility and an extreme bottleneck
Ich denke wir führen hier 2 unterschiedliche, aber miteinander verwobene Diskussionen:
Die erste dreht sich um die Definition von Arten, Kleinarten, Aggregaten etc. Die Antworten darauf (oder vielleicht auch einfach Haltungen) hängen auch davon ab, wo ich gerade stehe (draussen im Feld möchte ich eine Antwort und kann nicht bei jedem Hirtentäschchen am Feldrand eine Doktorarbeit schreiben; drinnen kann ich Literatur wälzen und wenn es hart auf hart kommt bei einem Hirtentäschchen sogar die Ploidiestufe bestimmen lassen, mehr aber auch nicht). Die Antworten hängen aber auch davon ab, mit wie vielen gegebenenfalls sogar widersprüchlichen Bestimmungsmerkmalen ich leben kann oder will und ob ich lieber pingelig genau bin (mit dem Risiko, Bestimmungsfehler zu machen) oder doch lieber ein Auge zudrücke, die Vielfalt so nehme wie sie ist und mit Artengruppen auch happy bin.
Wenn ich draussen rumstehe, bin ich ganz klare Verfechterin des zweiten: Ich habe lieber wenige, genaue, klare, reproduzierbare Merkmale und werde mit weiter gefassten Artengruppen, die der Vielfalt und dem Chrüsimüsi draussen gerecht werden, auch alt und glücklich. Abgesehen vom glücklich werden: oft ist es auch einfach ehrlicher zu sagen, dass sich die Pflanzen nicht an unsere kleinen Schubladen halten und die Schubladen klemmen. Dann (zumindest im Feld) aus meiner Sicht alles in grössere Schubladen räumen, mit etwas Chaos drin.
Aus Sicht der Forschung siehts natürlich anders aus; dann lieber wenig Chaos und so genau wie möglich.
Die zweite, damit zusammenhängende Diskussion dreht sich um Capsella bursa-pastoris im weiteren Sinne.
Hier bin ich nicht sicher, ob sich die möglichen rubella-Pflanzen immer an unsere Bestimmungskmerkmale halten.
Zur Illustration die Beobachtung einer an einem Berner Strassenrand als C. rubella bestimmten Pflanze, die ausgezupft und in ein Wasserglas gestellt bei mir zu Hause nicht mehr als typische rubella weiterwuchs und von konkaven Schötchenrändern nichts mehr wissen wollte.
Dazu ein eigener Forum-Beitrag, damit zumindest hier nicht zu viel Chaos entsteht :-)
https://www.openflora.ch/de/forum/capsella-rubella-oder-doch-eine-normale-c-bursa-pastoris-2598.html
Lieber Gruss * Muriel