Liebe Alle,
ich habe in den letzten Tagen die ganze Sammlung von Asplenium trichomanes hier im Herbar Zürich durchforstet und nach Arten/Unterarten (je nach taxonomischer Vorliebe) sortiert. Dabei ist mir etwas sehr merkwürdiges aufgefallen: Von Asplenium trichomanes s.str. (=A. trichomanes subsp. trichomanes) haben wir hier im Herbar praktisch nur Belege aus den südlichen Alpen (Wallis, Tessin, Misox, Puschlav) (rote Zirkel in der Karte). Ich selber habe sie auch nur dort gesehen. Zudem gibt eine paar Belege aus dem Gebiet südlich des Walensees (grüner Kreis), dies ist insofern ungewöhnlich, da die Art gewöhnlich nur auf saurem Gestein vorkommt, wir es dort aber mit Verrucano usw. zu tun haben. Was mich jedoch mehr verwundert: Schaut man die Karte zu A. trichomanes subsp. trichomanes bei InfoFlora an (das ist die Basiskarte auf die ich meine Kringel gemalt habe), dann gibt es Nachweise aus der ganzen Schweiz und auch viele aus dem Jura und den Kalkalpen. Das dürfte ja nicht sein, ist dies doch eigentlich eine strikt kalkmeidende Art. Was ist hier los? Ich sehe folgende Optionen:
- Alle oder zumindest die meisten Nachweise von A. trichomane subsp. trichomanes ausserhalb der Kringel könnten Fehlbestimmungen sein und entsprechen einfach kleinfiedrigen Exemplaren von A. quadrivalens (=A. trichomanes subsp. quadrivalens).
- Unser Verständnis der Ökologie von A. trichomanes s.str. könnte falsch sein und sie kommt tatsächlich auch auf Kalk vor.
- Es könnte sich tatsächlich um diploide A. “trichomanes” auf Kalk handeln, die aber nicht A. trichomanes s.str. entsprechen, sondern der anderen diploiden Art aus der Gruppe, nämlich A. inexpectans (=A. trichomanes subsp. inexpectans).
Um das zu klären, müssen wir die Pflanzen ausserhalb der Kringel nochmals genau unter die Lupe nehmen. Sind sie diploid oder tetraploid? Dies kann man durch Messungen der Sporengrösse oder durch Flowzytometrie bestimmen. Passen überhaupt die morphologischen Merkmale auf A. trichomanes s.str.? Zur Bestimmungen der Kleinarten in der Gruppe verweise ich auf unseren Artikel im Fernfolio: https://farnfreunde.ch/wp-content/uploads/2022/01/FernFolio_02_ganzes_heft.pdf
Wichtig: Fotos alleine genügen zur Bestimmung oft nicht. Zumindest sollten die Zellen auf den Rachisleisten gut sichtbar sein.
Ich schreibe dies hier in der Hoffnung, dass alle von uns, die in Zukunft mal einem “A. trichomanes s.str.” im Jura oder den Kalkalpen begegnen, diesen genau untersuchen, fotografieren oder ggf. sammeln (ich nehme gerne gut gesammelte Herbarbelege entgegen).
Es bleibt spannend!
Michael
4 Réponses
Drei Beobachtungen von ausserhalb deiner roten Kreise: Berg am Irchel, Freienstein, Fischenthal. Wenn du die Geologie des Irchels studierst, siehst du, dass Asplenium trichomanes kein Problem damit hätte, ein Stück Sandstein zu finden.
https://www.research-collection.ethz.ch/bitstream/handle/20.500.11850/135043/eth-21422-01.pdf
(Übrigens erinnert sich meine Frau Agathe daran, wie die Kinder die von ihm erwähnten Haifischzähne gefunden haben.)
Hallo Noel,
ganz sicher kann ich mir nicht sein, dafür müsste ich die Pflanzen unter Lupe/Bino untersuchen, aber vom Habitus und den Fiederformen usw. sieht nichts diploid aus. Die Pflanze von Berg am Irchel ist zu 99% quadrivalens, die von Fischenthal wohl auch.
Die von Freientsein sehen interessant aus. Sicher nicht trichomanes s.str., aber möglicherweise was in der Richtung pachyrachis/hastatum. Die Population sollte man sich mal genauer anschauen. Jetzt ist eine gute Zeit dafür, da die beiden sich ja u.a. im Zeitpunkt der Öffnung der Sporangien unterscheiden.
Sehr spannend jedenfalls!
LG, Michael
Noel hat mir mittlerweile ein paar Blätter zugeschickt und ja, die Pflanzen bei Freienstein sind tatsächlich sowohl Asplenium quadrivalens subsp. pachyrachis (= A. csikii) und A. t. subsp. hastatum (= A. jessenii). Sehr typische Ausbildung! Super Fund, beide sind im Kanton ZH kaum bekannt. Hier noch ein Foto der drei dort vorkommenden Sippen: rechts quadrivalens, Mitte pachyrachis, links hastatum.
Zusätzliche Belege: