• Forum
  • Quale spermatofita?

Krause Distel (Carduus crispus)?

Muriel Bendel
Muriel Bendel 03.08.2024

Mit schlüsseln komme ich bei dieser Distel an einem Ackerrand bei Ins (BE) auf die Krause Distel (Carduus crispus) - ich bin mir bei der Bestimmung aber unsicher, v.a. weil ich die Art kaum kenne und das Blattmerkmal ("Stängelblätter meist bis über die Mitte der Blatthälfte fiederteilig") nicht so recht passen will (die meisten Blätter sind weniger tief geteilt). Auch piksen die Stacheln deutlich stärker als ich bei "Stacheln ... kaum stechend" erwarten würde und die Blütenköpfe sind nicht alle "zu 2–5 gehäuft" sondern öfter einzeln.

Für die Krause Distel (Carduus crispus) spricht:

  • Stängel stachelig geflügelt (unter dem Blütenkopf aber z.T. ohne Stacheln)
  • Pappus rau (nicht federig behaart)
  • Blütenköpfe kugelig, ca. 1,5 cm dick
  • äussere Hüllblätter ca. halb so lang wie die inneren
  • Unterseite der Blattspreite dicht weiss behaart

Ist das die normale "Bandbreite" der Krausen Distel - oder hab ich eine andere Art vor mir, oder eine Hybride?
Bin sehr froh um euren kritischen Blick, mille merci!
lieber Gruss, Muriel

  • Carduus crispus
    0 0
Carduus cf. crispus, Ackerrand bei Ins (BE), 02.08.2024 (Muriel Bendel)
Ins (BE), 02.08.2024 (Muriel Bendel)
Ins (BE), 02.08.2024 (Muriel Bendel)
Köpfe kugelig, Durchmesser 1,5–2 cm, äussere Hüllblätter deutlich kürzer als innere. Ins (BE), 02.08.2024 (Muriel Bendel)
Pappus rau. Ins (BE), 02.08.2024 (Muriel Bendel)
Stängel stachelig geflügelt. Ins (BE), 02.08.2024 (Muriel Bendel)
Stängel stachelig geflügelt. Ins (BE), 02.08.2024 (Muriel Bendel)
Oberes Stängelblatt... Ins (BE), 02.08.2024 (Muriel Bendel)
Mittleres Stängelblatt... Ins (BE), 02.08.2024 (Muriel Bendel)
Unteres, bis zur Mitte der Blatthälfte fiederteiliges Stängelblatt. Ins (BE), 02.08.2024 (Muriel Bendel)
Unterseite der Blattspreite dicht behaart. Ins (BE), 02.08.2024 (Muriel Bendel)

4 Risposte

Liebe Muriel

also das ist meines Erachtens schon Carduus crispus. Ich bemühe wieder den guten alten Hegi im einschlägigen Artikel (VI, 2 p. 861-862):

„Laubblätter oberseits trüb- bis schwärzlichgrün, unterseits grau- bis weissfilzig, alle am Stengel meist fiederspaltig oder fiederlappig (Abschnitte eiförmig, 2- bis 3-lappig, der Endlappen am grössten), am Grunde stielartig verschmälert, die oberen eilanzettlich bis lanzettlich, schwach buchtig gezähnt bis gelappt, alle am Rande mit feinen, weichen Dornen. Köpfe in der Regel zu 3 bis 5 gehäuft, seltener nur einzeln an der Spitze kurzer, rutenartiger, weissfilziger Aeste, etwa 1 cm lang, kugelig.“

Da gibt es etwas zuviele „meist, bis, in der Regel....“, als dass man Eindeutiges sagen könnte. In der Tat ist diese Art sehr variabel. Hegi fährt denn auch im Kleingedruckten weiter:

„Carduus crispus ist eine ziemlich veränderliche Pflanze, die zwar meist schon durch ihre Tracht von C. personata abweicht, aber bisweilen einzelne Formen aufweist, deren Zuweisung zur einen oder anderen Art Schwierigkeit bereitet. Abgesehen von den zahlreichen Abänderungen in Bezug auf den Schnitt und die Behaarung der Laubblätter, die Anordnung der Köpfe und die Farbe der Hüllblätter und Blüten....“

Und geht dann auf drei Varietäten ein, von denen heute, soweit ich sehe, nur noch eine als ssp. multiflorus mit Hauptverbreitung am Lac de Joux eine gewisse Rolle spielt.

Vielen Dank, lieber Kilian!

Einmal mehr sind die Beschreibungen in der Illustrierten Flora von Mitteleuropa (Hegi) supergenau - und kommen der botanischen Realität draussen sehr nahe :-) Auch wenn es viele "meist" und "in der Regel" gibt und mir natürlich wenige, aber präzise Merkmale viel lieber wären.

Irgendwie auch beruhigend zu lesen, dass es bei der Krausen Distel (Carduus crispus) Individuen gibt, die sich nicht immer auf Anhieb von der Kletten-Distel (Carduus personata) unterscheiden lassen.
Zum Vergleich unten ein paar Fotos von Kletten-Disteln (Carduus personata) aus dem Jura; die Art besitzt ebenfalls einen (meist schmal) geflügelten Stängel, die Körbe sind an der Spitze der Äste knäuelig gehäuft, die unteren Blätter sind +- tief eingeschnitten, die oberen Blätter aber ungeteilt.
Ob ausdauernd (= Carduus personata) oder zwei-(bis wenig-)jährig und nach der Fruchtreife absterbend (= Carduus crispus) finde ich schwierig bis unmöglich rauszufinden...

Kletten-Distel (Carduus personata), Combe Tabeillon (JU), 04.08.2024 (Muriel Bendel)
  • Carduus personata
    0 0
Körbe knäuelig genhäuft - Kletten-Distel (Carduus personata), Combe Tabeillon (JU), 04.08.2024 (Muriel Bendel)
  • Carduus personata
    0 0
Stängel bis unter die Blütenköpfe schmal geflügelt. Kletten-Distel (Carduus personata), Combe Tabeillon (JU), 04.08.2024 (Muriel Bendel)
  • Carduus personata
    0 0
Geflügelter Stängel der Kletten-Distel (Carduus personata), Combe Tabeillon (JU), 04.08.2024 (Muriel Bendel)
  • Carduus personata
    0 0
Oberes, ungeteiltes Stängelblatt der Kletten-Distel (Carduus personata), Combe Tabeillon (JU), 04.08.2024 (Muriel Bendel)
  • Carduus personata
    0 0
Oberes, ungeteiltes Stängelblatt der Kletten-Distel (Carduus personata), Combe Tabeillon (JU), 04.08.2024 (Muriel Bendel)
  • Carduus personata
    0 0
Mittleres Stängelblatt der Kletten-Distel (Carduus personata), Combe Tabeillon (JU), 04.08.2024 (Muriel Bendel)
  • Carduus personata
    0 0
Kletten-Distel (Carduus personata). Chaumont (NE), 08.07.2024 (Muriel Bendel)
  • Carduus personata
    0 0

Liebe Muriel

Mit Recht bringst du hier C. personata ins Spiel, denn tatsächlich könnte C. crispus mit dieser verwechselt werden. Zudem besteht dort, wo sich ihre Verbreitungsgebiete überschneiden, die Möglichkeit der Hybridisation (siehe beigefügter Link zum Abstract der Studie von Z. Navratilova, Prag).

https://www.researchgate.net/publication/289718300_Hybridization_and_Introgression_in_Carduus_crispus_L_and_Carduus_personata_L_Jacq


Mir ist aber noch etwas anderes aufgefallen: in der Flora vegetativa wird im Zusammenhang mit den Blättern erwähnt, dass diese im Falle von C. crispus Dornen, bei C. personata hingegen Stacheln aufweisen sollen. Das ist dann ja ein fundamentaler Unterschied, zumindest vor dem gestrengen Auge des Botanikers. Da man deine Aufnahmen ja stark vergrössern kann, ist es möglich, sich das genauer anzusehen. Doch ist es meines Erachtens auch so nicht so ganz einfach. Auffällig ist aber im direkten Vergleich schon, dass bei C. crispus die Emergenzen fast immer an Ende eines Leitbündels stehen und bei C. personata das nicht der Fall ist und sie sich somit wohl leicht abbrechen oder abstreifen lassen. Doch abschliessend ist das natürlich nur aufgrund von Fotos schwerlich zu beurteilen.

Vielen Dank @Kilian für den Hinweis auf die Stacheln resp. Dornen bei den Disteln!

Gewisse Dornen resp. Stacheln sind klar – bei den Disteln hatte ich es aber nicht wirklich präsent... und deshalb die sehr genauen Definitionen in der «Exkursionsflora für Österreich, Liechtenstein, Südtirol», 2008, 3. Auflage (Fischer, MA et al.) nachgeschaut. Dort steht wörtlich zu Stacheln, Dornen und Blattdorn folgendes:

Stacheln: «nur aus Haut und Rindengewebe bestehende, daher nie von Nerven (Gefässbündeln) durchzogene, sondern meist leicht abbrechbare, ± harte, starre, stechend-spitze Gebilde an Achsen oder Blättern oder Früchten (Rosa / Rose, Rubus / Brombeere).»

Dornen: «aus Haut, Rindengewebe und dem Holzkörper bestehende Organe, daher stets von Nerven (Gefässbündeln) durchzogene, harte, starre, stechend-spitze Gebilde verschiedenen Ursprungs: ± verkürzte Sprosse mit zu einem Dorn umgewandelter Achse (Achsendornen), umgewandelte Blätter oder Blattteile (Blattdornen).
– Achsendornen (= «Sprossdornen»): zB. Crataegus / Weissdorn; Prunus spinosa / Schlehdorn, Ononis spinosa / Dorn-Hauhechel.»

Blattdorn: «in einen (einfachen oder verzweigten, mehrteiligen) Dorn umgewandeltes Langtrieb-Blatt (Berberis / Berberitze), Nebenblatt (Stipulardorn: Robinia / Robinie) oder austretender Blattnerv (Blattspitzen: Disteln; Kelchzipfel: Galeopsis tetrahit / Dorn-Hohlzahn).»

Ausführliche Artikel zum Thema Dornen resp. Stacheln finden sich z.B. auch auf Wikipedia.

Das heisst bei den stüpfigen Blattspitzen der Disteln (ich nehme an allen möglichen Distel-Gattungen, d.h. inkl. Cirsium, Carduus, Carlina etc.) handelt es sich allesamt um Blattdornen und nicht etwa um Stacheln. 

Auch zweigen die zwei fraglichen Arten, Carduus crispus und Carduus personata im Schlüssel (konkret nochmal Exkursionsflora für Österreich, Liechtenstein und Südtirol) bei "Pflanze nur wenig stechend (längere Dornen 2–3 mm lang); ..." ab. 

Mit anderen Worten: Ich gehe davon aus, dass die unterschiedliche Benennung der stacheligen Blätter von C. crispus und C. personata in der Flora Vegetativa ein Fehler ist.
Was meint die Autorenschaft der Flora Vegetativa dazu?