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  • Welche Farnpflanze?

Ein Schuppiger Wurmfarn mit orangen "Füssen"

Muriel Bendel
Muriel Bendel 27.06.2022

Hoizäme

Heute bei Gurtnellen (UR), auf knapp 1000 m ü. M., am Rand einer Silikatblockschutthalde:
Bis zur Artengruppe der Schuppigen Wurmfarne (Dryopteris affinis aggr.) reicht es bei den zwei Farnen, dann wird das Eis dünn...
Sehr auffällig waren die sehr dichten, fast orangen Schuppen auf dem Blattstiel und der Rhachis, ich denke deshalb an Dryopteris insubrica.
Stimmt die Spur, oder bin ich da auf dem Holzweg?

Lieber Gruss, muriel

Exemplar 1, mit auffälligen orangen Schuppen auf dem Blattstiel und der Rhachis. (Muriel Bendel)
Exemplar 2. (Muriel Bendel)
Exemplar 2. (Muriel Bendel)
Exemplar 2. (Muriel Bendel)
Exemplar 2. (Muriel Bendel)

4 Antworten

Ui, ich dachte auch zuerst an insubrica=cambrensis, aber bei genauerer Betrachtung ist es was anderes.

Die erste Pflanze ist “punctata”. Alles passt: kurzer Stiel mit sehr dichten, kräftigen und dunklen Schuppen; punktförmige Verziefungen auf Oberseite; Blattstruktur dreigeteilt: oben flach, bei den Sori lockig, unten flach; Rachis etwas abgedeckt; “Stiefelabsätze” zwischen den Fiederabschnitten; ledrige, glänzende Blattstruktur; Fiederabschnitte seitlich stark gezähnt; deutliche Lücke zwischen den Fiederabschnitten. Man kann sogar die 2-spitzigen Zähne sehen. Perfektes Beispiel für punctata.

Die zweite Pflanze ist etwas schwieriger: Rachis weniger abgedeckt, Schuppen heller, Fiederabschnitte stumpfer und weniger getrennt und ohne Stiefelabsätze, Ballstruktur einheitlich. Nach Ausschlussprinzip (es ist keine der klarer definierten Arten) würde ich hierzu borreri sagen.

Für die, die sich mit Dryopteris-affinis-Nomenklar nicht auskennen:

Die D. affinis-Gruppe umfasst apomiktische Pflanzen, so dass die Arteinteilung und deren taxonomische Behandlung problematisch sind.

Deshalb teilen unterschiedliche Autoren die Taxa unterschiedlich ein. Infoflora erkennt nur 4 Taxa an, der englische Farntaxonom Fraser-Jenkins, der intensiv an der Gruppe gearbeitet hat, 5 und ich aktuell 7, auch wenn es sicherlich noch mehr gibt.

Zudem stellt InfoFlora alle Taxa in eine Art mit mehreren Unterarten, während Fraser-Jenkins je nach Ploidiestufe und vermuteter evolutiver Herkunft mehrere Arten mit Unterarten anerkennt. Neuerdings erkennen einige Autoren, so auch ich hier, alle Taxa als Arten an, so wie dies auch in anderen apomiktischen Gruppen (z.B. Alchemilla, Hieracium, Rubus) gemacht wird. Würde man der InfoFlora-Klassifizierung konsequent folgen, dürfte man z.B. auch nur 2 Alchemilla-Arten anerkennen (mit vielen Unterarten). 

Die Tabelle unten zeigt, unter welchen Namen die verschiedenen Schweizer Taxa in verschiedenen Systemen zu finden sind.

InfoFlora - Fraser-Jenkins - Hier:

Diploid

D. affinis subsp. affinis - D. affinis subsp. affinis var. disjuncta - D. disjuncta

                                               - D. affinis subsp. punctata - D. punctata

Triploid

D. affinis subsp. borreri - D. borreri - D. borreri

                                                -                     - D. lacunosa

D. affinis subsp. cambrensis - D. cambrensis subsp. insubrica - D. “insubrica”

D. affinis subsp. pseudodisjuncta - D.  pseudodisjuncta - D. pseudodisjuncta

Tetraploid

                                        - D. pseudocomplexa - D. pseudocomplexa

Herzlichen Dank @Michael für die Bestimmung, für die ausführliche Beschreibung der beiden gefundenen Taxa und für die Dryopteris affinis aggr. Auslegeordnung!
Die beiden Fundmeldungen bei Info Flora hab ich entsprechend angepasst. 

Cool! Danke, Michael, für diese super Übersicht! Hihi, zwei Alchemilla-Arten wären würden mir eigentlich reichen. ;)

Ob‘s nun eine Art mit mehreren Unterarten oder ein Aggregat mit mehreren Kleinarte ist: bei Apomikten ist das letztlich Geschmacksache?

Ja, bei Apomikten greift halt kein traditionelles Artkonzept. Man kann bei der Dryopteris affinis-Gruppe immerhin 3 Ploidiestufen unterscheiden, zumindest die sind für mich klar als Arten zu werten.

Das Problem ist dann aber, dass die beiden diploiden Formen sich eher mit triploiden Formen verwechseln lassen, als untereinander. Somit kann man die Ploidiestufen nicht als solche ausschlüsseln. 

Ich halte es deshalb, analog zu anderen apomiktischen Sippen, für sinnvoll solche Formen, die man morphologisch gut unterscheiden kann und die über ein grösseres Verbreitungsgebiet einigermassen homogen bleiben, als Arten anzuerkennen. Dazu kämen dann viele lokale Populationen, die jeweils etwas anders aussehen, die ich aber alle in borreri stecke. Sonst landen wie bei Taraxacum officinale oder Ranunculus auricomus bei Hunderten Kleinarten.

Aber wie gesagt, das ist Geschmackssache …