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"Entdeckung" des Tages...

francoisealsaker
francoisealsaker 02.02.2025

Heute im BOGA in Bern habe ich zum ersten Mal festgestellt, dass Cyclamen coum eine Blatt-Zeichnung auf dem Blatt hat. Einfach wunderschön! Ich konnte mich kaum satt-sehen…

02.02.2025 (francoisealsaker)
02.02.2025 (francoisealsaker)
02.02.2025 (francoisealsaker)

16 Antworten

Solche Zeichnungen sieht man ja auf den verschiedensten Blättern in unserer Flora. Ich denke hier z.B. auch an Trifolium repens, gewisse Ranunculus-Arten wie die nemorosus-Gruppe etc…. Was wohl der Zweck solcher Zeichnungen sein mag? Gibt es hierzu Untersuchungen? Vermehrt scheint es mir bei Waldpflanzen aufzutreten, könnte also irgendwas mit dem Standort zu tun haben?!

Lieber Jonas

Das Phänomen läuft unter dem Oberbegriff „Variegation“ (bzw. Panaschierung). Sie wird vorwiegend durch einen lokalen Mangel oder das Fehlen von Chlorophyll verursacht, wobei das Ganze hier genetisch determiniert ist.

„Bei einigen Pflanzenarten sind Variegationen normal und kommen regelmäßig vor. In diesen Fällen sind die Muster meist symmetrisch und haben häufig eine nachvollziehbare Funktion, wenn sie z.B. auf Laubblättern pfeilartig in Richtung der Blüten und auf Blütenhüllblättern in Richtung der Nektarien weisen. Beispiele sind die hellen Muster auf den Blättern des heimischen Wiesenklees (Trifolium pratense).“

Das Zitat stammt aus dem einschlägigen Wikipedia-Artikel

Zu diesen Pflanzenarten gehören auch die Cyclamen, wobei ich spannend finde, dass es hier auch noch eine weitere - wie ich meine einleuchtende - Begründung gibt, und zwar den sog. „dazzle effect“ (Blendeffekt). Im Genus Cyclamen entsteht dadurch oft der Eindruck „eines Blattes im Blatt“. In der folgenden Studie wird sogar Bezug genommen auf die Tarnbemalungen von Schiffen im Ersten Weltkrieg. Ein Zitat daraus begründet den Verdacht, dass dadurch Frassfeinde verwirrt werden sollen:

„It is proposed that, in certain plant leaves, coloration patterns formed parallel to their contours (Fig. 1) may cause the visual illusion of a fake leaf shape, size, distance, and perspective, blurring actual leaf shapes, sizes, and distances, making it difficult for herbivores to estimate the distance to the leaf and aim their bites or landing. When there are several such parallel markings, the leaf may look as if it is made of several leaf layers that occupy different planes.“

Aus: SIMCHA LEV-YADUN: Potential defence from herbivory by ‘dazzle effects’ and ‘trickery coloration’ of leaf variegation (in: Biological Journal of the Linnean Society London, 2014, 111, p. 694)

Ich finde die ganze Studie sehr lesenswert (mit ausführlicher Bibliographie!), auch im Hinblick auf weitere Erscheinungsformen der Variegation. Erstaunlich vor allem, welch ausgeklügelte Strategien (trickery) puncto “visual defensive function” einige Arten entwickelt haben. Anbei die Figur 1 daraus betreffend Cyclamen persicum.

Simcha Lev-Yadun (University of Haifa), 2014, p. 694 (Blumenwanderer)

Sooo spannend, danke Kilian!! Nun kann ich mich auch langsam wieder erinnern, in grauer Vorzeit mal etwas dazu gelesen zu haben, an die Quelle erinnere ich mich jedoch nicht mehr. Auf jeden Fall wurde auch Cyclamen beschrieben mit der speziellen Blattmusterung. Zusätzlich wurde noch nach einer Erklärung für die roten Blattunterseiten bei Cyclamen (und gewissen anderen Waldpflanzen gesucht). Irgendwie meine ich mich erinnern zu können, dass behauptet wurde, die weissen Blattflecken würden auch das Licht bündeln (wie eine Lupe) für das Palisadengewebe und somit eine bessere Lichtausnutzung im Schatten bewirken. Habe aber alles nur noch sehr vage im Kopf…
Die Wikipedia-Beschreibung der Blattmuster als Pfeilmarkierungen dünkt mich noch etwas abenteuerlich, da bin ich bislang nicht überzeugt. Der dazzle effect klingt einleuchtender. Werde bei Gelegenheit auch das Paper dazu mal genauer studieren

Gerne, Jonas! Ich denke, dass noch längst nicht alle Geheimnisse der Variegation geklärt sind. Über den von dir angesprochenen “Restlicht-Verstärkungs-Effekt” habe ich auch mal etwas gelesen. Auf jeden Fall zeigt es, dass Wildpflanzen nicht aus Lust und Laune (oder um uns zu gefallen) auf einen Teil ihres Chlorophylls verzichten, sondern dass das schon sehr gute Gründe haben muss. Was gärtnerisch dann daraus gezüchtet wird, steht auf einem anderen “Blatt” ;-) Hier noch eine etwas ältere Studie zum Thema:

MICHAEL MARCOTRIGIANO: Chimeras and Variegation: Patterns of Deceit (University of Massachusetts), 1997

Auf der englischsprachigen Wikipedia-Webseite wird auch Mimikry von Frassspuren von Miniermotten diskutiert, Quelle siehe hier:

Lev-Yadun, S. (2014). "Defensive masquerade by plants". Biological Journal of the Linnean Society.

Zur roten Blattunterseite von Cyclamen (und womöglich auch Restlichtverstärkung, habs nicht angeschaut) finde ich das hier: https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0367253016301128 (Variegation and red abaxial epidermis define the leaf optical properties of Cyclamen purpurascens)
Interessant dazu folgender Abschnitt in der Diskussion (hatte aber noch keine Zeit, das genauer anzuschauen):

4.2. The role of red anthocyanic abaxial epidermis

Auf jeden Fall ist es faszinierend, dass nicht nur Tiere, sondern auch Pflanzen (z.B. bei den Blättern) auf diverse Mimikry-Arten (Müller und Bates) und Aposematismus setzen, und die Vielfalt der Strategien so gross ist!

Danke Kilian und Jonas für diese ausführliche Diskussion. Sehr spannend. ich werde Ausschau nach anderen Arten halten.

Ich habe mal in Ecuador jemanden getroffen, der hat Experimente bei einer Araceae gemacht, bei der einige Indivdiuen weisse Muster auf den Blättern haben, andere nicht. Er hat auf einheitliche Blätter mit Tippex Muster gemalt und herausgefunden, dass diese Blätter weniger Insektenfrass aufwiesen, als ganz grüne Blätter der selben Pflanze. Insekten vermeiden wohl bereits angefressene Blätter, da dort die Pflanzen die sekundären Giftstoffe erhöhen.

Danke für die Ergänzung Michael! Die Erklärung mit den Giftstoffen klingt hierbei recht sinnvoll….! 

Ich habe vor ein paar Tagen bei uns in Sirnach am Bahndamm einen Arum italicum gesehen. Die Zeichnung hat uns so gefallen, dass wir ein Bild machen mussten.  Ich habe keine Ahnung weshalb der Arum sich so schön zeichnet. 

11.01.2025 (Alfons Schmidlin)

Lieber Alfons

Ich hatte eigentlich schon vorher vermutet, dass diese auffällige Blattaderung bei Arum italicum (und wohl auch die Flecken bei A. maculatum) ein Warnsignal für Frassfeinde sein könnten (siehe Aposematismus), zumal beide als stark giftig gelten. Nun habe ich eine furchtbar komplizierte, aber hochspannende Studie zu Arum italicum gefunden, die sich aber vor allem auf der strukturell-funktionalen Ebene bewegt und diese hellen Bereiche mit Blick auf das Palisadengewebe und seine lichtbündelnde Funktion zwecks besserer Lichtausnutzung erklärt. Doch wird auch darauf hingewiesen, dass dies mutmasslich nicht der einzige Effekt dieser Variegation ist. Ich zitiere auf Seite 1397:

“Taken now for granted that leaf speckling with pale-green and dark-green sectors is not detrimental to photosynthesis in A. italicum and other species, the question arises as to whether it does also confer some kind of additional benefit. The widespread occurrence of variegated leaves among understorey herbs of Europe (notably Cyclamen spp., Hepatica nobilis and some orchids, in addition to Arum) suggests that leaf speckling may be ecologically favourable to these plants. In some instances (e.g. Pulmonaria spp., Erythronium) the colour pattern is even subject to change with seasons. Some evidence exists that leaf variegation may be useful to forest plants to escape herbivory and phytophagous insects by mimicry or other ingenious defence devices and this might be the case for A. italicum, too. Similarly, the gaudy variegation of many thorny plants in semiarid areas has been proposed to have an aposematic (warning) function towards ungulates. However, the underlying advantage mechanism of leaf speckling does not need to be always one and the same. Some flecked patterns might represent, for example, a direct deterrent for herbivores or a visual signal for pollinators, though the latter possibility is unlikely for A. italicum which allures insects by emitting odour. All in all, much remains to be understood in the wide field of plant variegation.”

La Rocca/Rascio/Pupillo: VARIEGATION IN ARUM ITALICUM LEAVES. A structural–functional study.
Aus: Plant Physiology and Biochemistry 49 (2011)

Ganz herzlichen Dank. Hochinteressant. Dass sie giftig sind ist mir natürlich bekannt. Aber dass man anzeigt dass man giftig ist erstaunt doch ein bisschen. “Mein” Arum wächst übrigens nicht im Wald oder sonst im Schatten, nein voll an der Sonne am nach süden offenen Bahndamm. 

Auch Leberblümchen können schöne Zeichnungen aufweisen, wenn auch nicht weisse.

01.05.2008 (Maria Merz)

Genau, wie oben im Zitat erwähnt. Dasselbe gilt neben Cyclamen auch für die Lungenkräuter und den Hundszahn, ganz dezent auch für Goodyera repens…..alles eher Waldpflanzen.

Jonas erwähnt Mimikry von Frassspuren von Miniermotten. Könnte das hier ein Beispiel dafür sein?

13.07.2015 Engadin (Maria Merz)

Auch das sind schön gezeichnete Blätter, wahrscheinlich von Trifolium repens. Was ist der Grund für die Rotfärbung? Die Kälte?

28.02.2025 (Maria Merz)
28.02.2025 (Maria Merz)