Schon länger suchte mich der Wunsch nach einem Besuch der atlantischen Flora heim… Aus diesem Grund reiste ich dieses Jahr Ende Juli/Anfang August mit einem guten Kollegen für knapp eine Woche in’s französische Massif Central. Dieses riesige Mittelgebirge wird stark von Heide- und Ginsterlandschaften geprägt und erinnert von der Landschaft her an den Schwarzwald, ist jedoch nochmals wesentlich artenreicher! Das Klima der Region ist bereits stark atlantisch geprägt und der Untergrund meist silikatisch. Im Zentralmassiv verbrachten wir 3 Tage in den Monts du Pilat, 2 Tage in den Monts du Forez sowie noch einen Tag in der eigentlichen Vulkanlandschaft der Auvergne (Region Mont-Dore, inklusive des mit 1885 m hohen Puy de Sancy höchsten Bergs des Massif Central). Hier ein Einblick in die dortige Flora (mit Schwerpunkt auf den speziellen Arten).
44 Antworten
Ein grosses Highlight war natürlich die in der Schweiz nur von einer einzigen Stelle bekannte Heide-Wicke (Vicia orobus) an mehreren Stellen in den Monts du Pilat sowie auch in der eigentlichen Auvergne.
Faszinierend war auch der bei uns ausgestorbene Lämmersalat (Arnoseris minima). Einmal fanden wir ihn in einem Acker, ein weiteres Mal in einer Annuellenflur zusammen mit Aira caryophyllea, Micropyrum tenellum und Vulpia bromoides. Auffälligstes Merkmal sind die sich gegen unten stark verjüngenden Äste…
Einer der botanischen Hauptgründe war die Suche nach dem seltenen Moorglöckchen (Wahlenbergia hederacea), einer sehr kleinen Art, welche meist kriechend in kontinuierlich nassen Moorhabitaten gefunden werden kann… Wirklich niedliche Art! Soooo selten war sie dann gar, wir konnten bestimmt ca. 5 zufällige Funde von ihr machen….
Sehr cool ist auch Carum verticillatum mit quirlständig angeordneten Teilblättern, welche dann etwas an den Tannenwedel (Hippuris vulgaris) erinnern. Sie lässt sich regelmässig finden in Feuchthabitaten.
Sehr regelmässig findet man dort die Sparrige Binse (Juncus squarrosus). Diese ist jedoch bereits im Schwarzwald wesentlich verbreiteter als in der Schweiz.
Weitere Arten der Moore waren das Quellkraut (Montia fontana), die Quendelblättrige Kreuzblume (Polygala serpyllifolia), der Moor-Mauerpfeffer (Sedum villosum) oder der Moor-Klee (Trifolium spadiceum).
Besonders die ersten beiden sind recht häufig anzutreffen.
Als grosser Seggenfan wollte ich natürlich auch unbedingt die westeuropäische Carex laevigata mal finden ;-) An feuchten, schattigen Waldstellen hatten wir dann zwei Mal das Glück…. Sie ist sehr ähnlich zur Wald-Segge (C. sylvatica), jedoch wesentlich kräftiger und grösser.
Auf einen Fund des Kleinen Helmkrauts (Scutellaria minor) mussten wir bis zum letzten Tag und der allerletzen Wegkurve warten…. Auch eine Art von Feuchthabitaten. Hier in Begleitung von Carum verticillatum, Wahlenbergia hederacea, Drosera rotundifolia…..
Sehr interessant sind auch die zahlreicher als bei uns vorhandenen Annuellenfluren (dazu gehört z.B. der bereits gezeigte Lämmersalat).
Eine typische und häufige Art im Massif Central ist Aira caryophyllea, welche ich in der Schweiz bislang besonders aus dem Tessin kenne.
Micropyrum tenellum ist bei uns nur noch von zwei Stellen im Tessin bekannt. Im Massif Central sieht man sie sehr regelmässig in den angesprochenen Annuellenfluren….
Der Trespen-Federschwingel (Vulpia bromoides), ebenfalls Annuellenflur
In feuchten Heiden lässt sich der blaugrüne Englische Ginster (Genista anglica) finden (jedoch nur einmal gesehen). Auch diese Art soll sehr selten im Schwarzwald vorkommen….
In den höheren Lagen oder in feuchten Wiesen gibt's dann auch die aus den Vogesen bereits bekannte Angelica pyrenaea mit gelbgrünen Blüten und auffallend ungleich ästigen Doldenstrahlen.
Ebenfalls etwas sehr cooles ist Anarrhinum bellidifolium mit dem merkwürdigen deutschen Namen Lochschlund. Die Bilder entstanden leider bei starkem Regen….
An ähnlichen Orten wie Anarrhinum , also eher am Fuss der Berge, findet sich an steinigen Orten der Lacksenf (Coincya cheiranthos). Soll ja anscheinend auch mal in der Schweiz vorgekommen sein. Ist schon sehr ähnlich wie Erucastrum nasturtiifolium, ist aber meist in allen Teilen grösser und die Früchte weisen einen langen "Schnabel" auf.
Hier lässt sich auch der Venusnabel, Umbilicus rupestris, finden. Ist sogar recht häufig in der Region.
Oder Tordylium maximum, der Grosse Zirmet. Hier am gleichen Standort wie der Lacksenf.
An diesen Stellen findet man auch immer wieder Sedum hirsutum oder die mediterrane Andryala integrifolia.
Viel häufiger als bei uns stösst man auf Arten der Gattung der Filzkräuter, hier z.B. Filago vulgaris und minima. Während erstere oftmals sogar ruderal in Dörfern angetroffen wird, scheint letztere eher an sandig-heidigen Wegrändern zu wachsen.
An einem Wegrand entdeckten wir dann sogar noch das in der Schweiz nur noch von einer Stelle bekannte Filago lutescens. Es ist sehr ähnlich zu vulgaris, unterscheidet sich aber durch die roten Hüllblattspitzen und die weniger welligen, spatelförmigeren Blätter.
Am gleichen Standort wie Filago lutescens war auch der Gelbe Hohlzahn (Galeopsis segetum) zu finden. Aus der Schweiz kenne ich diesen bislang nicht, dafür aber aus dem Schwarzwald.
Am gleichen Strassenrand wuchs auch die westeuropäisch-montane Jasione laevis, welche sich bereits im Schwarzwald finden lässt. Im Massif Central ist sie in den Bergen häufig und unterscheidet sich von J. montana durch grössere Blütenköpfchen und deutliche Ausläufer.
Eine wie ich finde sehr attraktive Art in Heideflächen ist Senecio adonidifolia.
Ein anderes Senecio ist cacaliaster. Es ist mit unserem S. ovatus verwandt, hat jedoch fast weisse Blüten und die Zungenblüten fehlen hier. Im Gegensatz zum vorher vorgestellten adonidifolia ist diese Art eher an etwas frischeren Stellen mit Tendenz zur Hochstaudenflur zu finden.
Ebenfalls in Hochstaudenfluren findet sich regelmässig Doronicum austriacum (ist recht ähnlich unserer pardalianches). Diese hatte ich bereits in Kärnten mal gesehen…
Cicerbita plumieri, welche ja in der Westschweiz regelmässig vorkommt, besiedelt einen ähnlichen Lebensraum.
Frische Waldwegränder besiedelt auch Knautia basaltica. Sie schaut ziemlich gleich aus wie unsere aus dem Jura bekannte K. godeti…
Knautia arvernensis ist die Massif Central-Version unserer K. drymeia.
Niedlich ist der an sandigen Wegrändern vorkommende Kleine Vogelfuss (Ornithopus perpusillus), eine klassische Sandart in Westeuropa. Eigentlich gilt sie in der Schweiz als ausgestorben, dieses Jahr wurden im Rahmen des Projekts Flora beider Basel jedoch zwei neue (wohl eingeschleppte) Populationen in der Stadt Basel entdeckt.
Praktisch die identische Ökologie wie der Kleine Vogelfuss hat der Bauernsenf (Teesdalia nudicaulis). Die äusseren Kronblätter der Blüten sind stets auffallend vergrössert…
Die Französische Erdkastanie (Conopodium majus) kommt bis Mittelnorwegen vor und ist sehr ähnlich wie die im Wallis vorkommende Bunium bulbocastanum. Ein Unterscheidungsmerkmal ist z.B. die bei Conopodium fehlende Hülle (vorhanden bei Bunium).
Eine südwesteuropäische Gebirgspflanze mit Hang zu Monokulturen ist Cytisus oromediterraneus.
Der aus dem Tessin bekannte Ginster-Würger (Orobanche rapum-genistae).
In den höheren Lagen häufig sind Centaurea nigra (in der Schweiz die ähnliche nemoralis), Campanula scheuchzeri subsp. lanceolatus sowie Viola lutea (im Massif Central nur blau blühend).
Spergula morisonii
Nochmals sehr viele neue Arten kamen in den Hochstaudenfluren in den Monts Dore zusammen. Dieses Gebiet liegt in der Auvergne und befindet sich weiter westlich als die Monts du Pilat und Forez.
Den Kambrischen Scheinmohn (Papaver cambricum) kennt man nur verwildert aus der Schweiz.
Zusammen mit Meconopsis wuchs die Irische Wolfsmilch (Euphorbia hyberna)
An offeneren, steinigen Stellen der Waldstufe in den Monts Dore wuchs auch die im Zentralmassif endemische Saxifrage continentalis.
Sehr interessant war der Besuch des höchsten Berges im Massif Central, dem Puy de Sancy (1885m). Hier mit Arten wie
-Dianthus gratianopolitanus (hier viel kleiner als die Pflanzen aus dem Schweizer Jura)
-Murbeckiella pinnatifida (im westlichen Wallis auch vorkommend)
-Sesamoides pygmaea kannte ich bislang noch nicht. Die Gattung ist verwandt mit Reseda
Auch auf dem Puy de Sancy, die in der Auvergne endemische Jasione crispa subsp. arvernensis und Luzula desvauxii (schaut wie eine sehr üppige alpinopilosa aus. Kommt sehr lokal auch im Schwarzwald auf dem Belchen vor)
Häufig z.B. an Autobahnraststätten ist Crepis bursifolia, welche bei uns lokal in der Westschweiz auftritt.
Zum Abschluss noch einige auch in der Schweiz vorkommende Arten, die aber im Massif Central viel häufiger sind
-Digitalis purpurea
-Dianthus deltoides
-Hypericum pulchrum
-Meum athamanticum
-Scorzonera humilis
-Senecio sylvaticus
Crepis mollis
Hallo Jonas
Vielen Dank für den ausführlichen Bericht über eine nicht alltägliche Flora!
LG, Florence