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Pinguicula vulgaris oder Pinguicula leptoceras

Simon Gysi
Simon Gysi 05.02.2023

Hallo zusammen

Die beiden folgenden Individuen habe ich im Silvrettagebiet bei Klosters gefunden. Leider habe ich sie etwas vorschnell und ohne genauere Begutachtung als Pinguicula vulgaris abgetan. Erst später bin ich auf die Verwechslungsart P. leptoceras aufmerksam geworden, die in dieser Gegend ebenfalls vorkommt. Mittlerweile denke ich, dass es sich bei den beiden Individuen eher um P. leptoceras handelt, dies aufgrund der blauvioletten sowie überlappenden Kronblätter. Entscheidende Merkmale wie die Drüsen am Grund der Kronröhre oder der Kelch sind auf den Bildern leider nicht oder nur schlecht sichtbar.

Was würdet ihr aufgrund der vorliegenden Informationen sagen?

Beste Grüsse
Simon

1. Individuum, Klosters (ca. 1900 m ü. M.), 27.05.2022 (Simon Gysi)
1. Individuum, Klosters (ca. 1900 m ü. M.), 27.05.2022 (Simon Gysi)
2. Individuum, Klosters (ca. 2400 m ü. M.), 12.07.2022 (Simon Gysi)
2. Individuum, Klosters (ca. 2400 m ü. M.), 12.07.2022 (Simon Gysi)
2. Individuum, Klosters (ca. 2400 m ü. M.), 12.07.2022 (Simon Gysi)

6 Antworten

Hoi Simon

Ich bin bei deinen Exemplaren genauso unschlüssig wie bei meinem.
Zu Beginn war ich mir sicher, dass es P. vulgaris ist, wegen der violetten Krone und dem passenden Verbreitungsgebiet, in dem P. leptocera nicht vorkommt. Die tief gespaltenen und gespreizten (?) Kelchblätter haben mich nun verunsichert..

19.06.2021 (Nadline)
19.06.2021 (Nadline)
19.06.2021 (Nadline)

@Nadline: Ich denke an P. vulgaris bei deinen Fotos - die Drüsenhaare im Schlund sind an der Spitze nicht keulenförmig/kugelig verdickt, die Unterlippe des Kelchs ist nicht bis zur Mitte geteilt und die beiden Abschnitte der Kelchunterlippe sind nicht abgespreizt. Eine Vermutung, keine sichere Bestimmung :-)

Ich kann auch nur “von-denen-denke-ich-dass-Bilder” beisteuern, welche eure Vermutungen unterstützen.

Aufgenommen Wallis

Pinguicula leptoceras, Binntal auf ca. 2130m. Sie haben mir den Blick zum Alpen-Flachbärlapp (Diphasiastrum alpinum) gewiesen. (MORus_vITex_ZelkoVa.)
Pinguicula leptoceras, Binntal auf ca. 2130m. Sie haben mir den Blick zum Alpen-Flachbärlapp (Diphasiastrum alpinum) gewiesen. (MORus_vITex_ZelkoVa.)
Pinguicula leptoceras, Evolène/VS auf ca. 2400m (MORus_vITex_ZelkoVa.)
Pinguicula leptoceras, Evolène/VS auf ca. 2400m (MORus_vITex_ZelkoVa.)

Uff, am liebsten bisschen Genetik :-)

Pinguicula vulgaris: 2n= 64, Pinguicula leptoceras 2n = 32.
Draussen hilft das natürlich wenig resp. gar nichts... deshalb schaue ich die kritischen, kleingedruckten Gattungsinfos in der Flora Gallica (2014) nach:

“Genre très difficile : la phylogénie montre la faiblesse des caractères discriminants et l'incidence des caractères adaptatifs (Cieslak et al., Amer. J. Bot 92 (10), 1723-1736, 2000), ce qui encourage un concept spécifique ou subspécifique assez étroit (Conti & Peruzzi, Ann. Bot. Fenn. 43, 321-337, 2006. ...”


Im dichotomen Schlüssel der Flora Gallica wird Pinguicula leptoceras (zusammen mit anderen Arten) von Pinguicula vulgaris (inkl. P. grandiflora und weiteren Taxa) dann bei dieser Frage (Seite 821, Punkt 5) aufgetrennt:

  • 5    Gorge de la corolle à poils capités (apex dilatés majoritairement à L/I ≤2,5) ... P. leptoceras
  • 5'    Gorge de la corolle à poils subcylindriques ou étroitement claviformes (apex dilatés, si présents, à L/I > 2,5) ... P. vulgaris

Und wie sehen die Haare im Kronenschlund nun konkret aus? Die besten Zeichnungen der "Röhrenhaartypen" hab ich in der ausführlichen "Monographie der Gattung Pinguicula L." von S.J. Casper (1966) gefunden: Seite 19, Abb. 4

  • P. leptoceras (Fig. 6): Von der Kronunterlippe bis zur Schlundregion: Haare an der Spitze deutlich verdickt (keulenförmig bis kugelig). Nur in der Kronröhre sind die Haare an der Spitze nicht verdickt und sehen aus wie bei P. vulgaris.
  • P. vulgaris (Fig. 11): Von der Kronlippe über die Schlundregion bis in die Kronröhre sind die Haare an der Spitze nicht oder nur undeutlich verdickt. 

Vermutlich gilt aber auch hier: Ein Merkmal bei einer Pflanze in einer Population reicht allein nicht für eine "belastbare" Art-Bestimmung. Am besten die Form der Kronen-Unterlippe, die Form des Sporns, des Kelchs, der Drüsen im Schlund anschauen - und dann etwas pragmatisch entscheiden :-)

@Simon, bei beiden Individuen scheint mir für P. leptoceras alles (was sichtbar ist) zu passen - die Drüsenhaare im Schlund sind an der Spitze deutlich verdickt, die Abschnitte der Kronenunterlippe breit und sich berührend/etwas überlappend.

Vielen Dank euch allen für die Vergleichsbilder, die Ausführungen und Einschätzungen. Die Unterscheidung scheint nicht ganz einfach zu sein, zumindest von den Bildern her. Da ich in der kommenden Saison wieder im Silvrettagebiet unterwegs sein werde, suche ich die Fundorte wohl erneut auf, um aufgrund weiterer Merkmale die Pflanzen sicher(er) zu bestimmen.